Selbsthilfe-Selbstverwaltung-Selbstverantwortung – April 1921:
In Veldhausen nutzten Bürger die „genossenschaftliche Idee“, um sich aus einer wirtschaftlichen Notlage heraus, selber zu helfen.

Anfang der 1920er Jahre waren auch in Veldhausen die wirtschaftlichen Verhältnisse  stark durch die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges geprägt. Die Inflation trieb langsam ihrem Höhepunkt entgegen, die Mark verlor immer mehr an Kaufkraft.

In dieser Situation bedienten sich 17 verantwortungsvolle Bürger der genossenschaftliche Idee, um gemeinsam den wirtschaftlichen Problemen der damaligen Zeit etwas entgegenzusetzen. Unter den Gründern: sieben Kaufleute, fünf Handwerker, zwei Gastwirte, ein Landwirt, ein Pastor und ein Bürgermeister.

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 38-1, aus dem Gründungsstatut vom 14. 04.1921

In der Gründungsversammlung am 14. April 19211 ernannte der Vorsitzende Bürgermeister Lambert Naber „Herrn wissensch. Beamter der Landwirtschaftskammer Rühling, Hannover“ zum Schriftführer.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Daraus lässt sich eindeutig ableiten, dass der in der damaligen Provinz Hannover gegründete „Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften“ (gegr. 1889)und die damalige Abteilung Genossenschaftswesen der Landwirtschaftskammer Hannover die Gründung der „Spar- und Darlehnskasse eGmbH in Veldhausen (Kr. Grafschaft Bentheim)“ beratend begleitet haben (Rühling war übrigens der direkte Nachfolger des Wanderlehrers August Fricke. Dieser war von 1889 bis 1914 zur Förderung des Genossenschaftswesens in der Provinz Hannover von der damaligen Königlichen Landwirthschaftsgesellschaft  – als Vorgängerinstitution der Landwirtschaftskammer Hannover – angestellt worden. Mehr hierzu in unseren Beiträgen über den Verband).

In den Vorstand der neuen Spar- und Darlehnskasse wurden gewählt:

  1. Oberleutnant a.D. Erich Pannenborg, Grasdorf
  2. Kaufmann Lambertus Kösters, Veldhausen
  3. Bäckermeister Jan Arends, Veldhausen

In den Aufsichtsrat wurden gewählt:

  1. Pastor Josef Dilloo, Veldhausen
  2. Schuhmachermeister Josef Thediek, Veldhausen
  3. Kaufmann Gerhard Determann, Veldhausen

Drei Beschlüsse wurden in der Gründungsversammlung gefasst:

  1. „Jedes Mitglied hat M 20,– Eintrittsgeld zu bezahlen.
  2. Die Genossenschaft tritt der Landesgenossenschaftsbank eGmbH in Hannover als Mitglied bei, (…) und weitere Bestimmungen über die Leitung und die Führung der Geschäfte werden (…) durch Dienstanweisung und (…) Geschäftsordnung getroffen, die einer (…) demnächst einzuberufenden Generalversammlung zur Genehmigung vorzulegen sind.
  3. Zum Rendanten wird Herr Oberleutnant a.D. Erich Pannenborg, Grasdorf, gewählt.“

Die Eintragung in das Genossenschaftsregister erfolgte am 20. Mai 1921.

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 38-1

Am 31. Mai 1921 um 20 Uhr folgte die erste gemeinschaftliche Sitzung des Vorstandes und des Aufsichtsrates in der Wohnung von Kaufmann Kösters. 18 Tagesordnungspunkte standen im Protokoll 2, um die gegründete „Spar- und Darlehnskasse“ auf den Weg zu bringen. Kaufmann Lambertus Kösters wurde zum Vorsitzenden des Vorstandes und Pastor Josef Dilloo zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates gewählt. In TOP 3 war erfasst, dass es Aufgabe der Generalversammlung sei, einen Rendanten zu wählen, da Erich Pannenborg sein Amt niedergelegt hatte. Diese erste außerordentliche Generalversammlung3 fand im Anschluss „abends um 9 Uhr in Bangens Gasthof“ statt. Der „Haussohn“ Fritz Naber wurde mit Stimmenmehrheit zum neuen Rendanten gewählt. In beiden Versammlungen war wiederum der „wissensch. Beamte der Landwirtschaftskammer Rühling, Hannover“ als Schriftführer anwesend.

Fritz Naber führte bis zu seinem Tod (13. Februar 1931) fast zehn Jahre die Geschäfte. „Die Geschäfte werden im Saal und, falls dieser mal für andere Zwecke (z.B. „Groven“) freigehalten werden musste, in der „Upkamer“ der Gastwirtschaft Naber abgewickelt.“ 4

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, Festschrift 50 Jahre Raiffeisenbank Veldhausen-Neuenhaus eGmbH
Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, Festschrift 50 Jahre Raiffeisenbank Veldhausen-Neuenhaus eGmbH

1924 kam es zum Zusammenbruch der Währung. Im Sommer folgte die Einführung der Reichsmark. Die Weltwirtschaftskrise erreichte 1931 ihren Höhepunkt, mit heftigen Preisstürzen, Zahlungsunfähigkeiten und Konkursen. In dieser schwierigen Zeit, am 13. Februar 1931, trat bei der Spar- und Darlehnskasse durch den Tod von Fritz Naber ein Rendantenwechsel ein. Die seit 1922 tätige Angestellte Maria Liese wurde zur Rendantin gewählt und übernahm die Geschäftsführung. 5

Maria Liese (Rendantin und Vorstandsmitglied der Spar-und Darlehnskasse Veldhausen eGmbH) Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, Festschrift 50 Jahre Raiffeisenbank Veldhausen eGmbH, Seite 5

Bis 1933 benutzte die Spar- und Darlehnskasse eGmbH Veldhausen den Saal in der Gastwirtschaft Naber weiter als Geschäftsraum. Dieser wurde aber zunehmend unpassender. Am 27. Juni 1933 beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat in ein im gleichen Hause hergerichtetes Zimmer umzuziehen. 6

Am 10. November 1938 beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat einstimmig den Ankauf eines Grundstücks an der Lingener Straße von der Firma G. Scholten. 7 Ebenfalls einstimmig beschloss die Generalversammlung am 14. Juli 1939 dieses Grundstück mit einem Geschäfts- und Wohnhaus zu bebauen. Die Baukosten durften 35.000 RM nicht übersteigen. 8 Doch kurz darauf begann der Zweiten Weltkrieg und das Bauvorhaben musste zurückgestellt werden.

„Mit der Währungsreform und der Einführung der „Deutschen Mark“ am 21. Juni 1948 folgte dann eine stetige Aufwärtsentwicklung der Kasse, deren Kunden außer aus Veldhausen auch aus den umliegenden Gemeinden (Alte-Piccardie, Bimolten, Esche, Grasdorf, Hilten, Hohenkörben, Neuenhaus, Osterwald) kamen. Damit wurde bald ein Ausweichen in größere Räume erforderlich“ .9 Die Verwaltungsmitglieder entschieden am 4. März 1950 „unseren lang gehegten Plan zum Bau eines neuen Kassengebäudes noch in diesem Frühjahr zu verwirklichen“. 

Mit den Vorstandsmitgliedern Jan Harm Hoppen (Landwirt)  und Gerhard Determann (Kaufmann) sowie dem Aufsichtsratsmitglied Jan Hankamp (Landwirt) wurde für die Durchführung ein Bauausschuss gewählt. 10

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, Festschrift 50 Jahre Raiffeisenbank Veldhausen-Neuenhaus eGmbH

Am 1. Mai 1951 folgte dann die Aufnahme des Geschäftsbetriebes im ersten eigenen Gebäude 11, in dessen Obergeschoss sich auch eine kleine Wohnung für die Rendantin Maria Liese befand. Zwei weitere Räume wurden vermietet. 12

Auf Empfehlung des Verbandes beschloss die Generalversammlung am 28. Mai 1954 eine Namensänderung 13 in Raiffeisenbank Veldhausen eGmbH.

In den folgenden Jahren nahm die Geschäftstätigkeit erheblich zu und weitete sich auch stärker auf den Bereich der Stadt Neuenhaus aus. Am 21. Januar 1958 erging der Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat, in Neuenhaus eine Zweigstelle zu eröffnen. Hierzu wurden im Hause Fritz Voshaar an der Bahnhofstraße Geschäftsräume angemietet und „in Stand“ gesetzt. Die Geschäfte konnten dort am 10. April 1958 aufgenommen werden. Innerhalb von vier Wochen waren bereits 15 neue Girokonten und drei Sparkonten eingerichtet.14

Die weitere Entwicklung des Standortes Neuenhaus lesen Sie in einem separaten Beitrag.

Die Entwicklung durch das erste eigene Gebäude war so erfolgreich, dass bereits 1954 erste Änderungen im Kassenraum und bei der Einrichtung vorgenommen wurden.15 Der erhöhte Arbeitsanfall konnte vorerst durch die Einführung der Maschinenbuchführung zum 1. Oktober 1953 aufgefangen werden. In 1954 wurden ca. 60.000 Buchungsposten verarbeitet (ca. 7.000 mehr als 1953). Als Zeugnis dient hier ein Ausschnitt aus dem Revisionsbericht:

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 186-1, Revisionsbericht 10-11.1954, Seite 5

Im Januar 1955 wurde einer der bisher vermieteten Räume – wie es auch der Revisor in seinem Bericht vermerkte –  durch Einbau eines Fensters, einer Heizung sowie der Abtrennung eines Flures zur Erweiterung der Kassenräume herangezogen.16

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 39-3, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, Seite 91

Die Vorstands- und Aufsichtsratssitzung vom 20. Oktober 1958 stellte die Weichen für den weiteren erfolgreichen Weg der von 17 Veldhausener Bürgern  in der eigenen wirtschaftlichen Notlage gegründeten Spar- und Darlehnskasse eGmbH in Veldhausen. Falls Sie Interesse am weiteren Verlauf der „juristischen“ Wurzeln der heutigen Grafschafter Volksbank eG haben, verweisen wir auf den folgenden Beitrag – Teil 2.

 

 

 

1. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 38-1, Gründungsprotokoll vom 14. April 1921.

2. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 40-1, Protokollbuch des Vorstand- und Aufsichtsrates, Seite 1 bis 3.

3. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 39-1, Protokollbuch für Generalversammlungen, Seite 1 bis 2.

4. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, Festschrift 1921 – 1971 50 Jahre Raiffeisenbank Veldhausen-Neuenhaus, Seite 4.

5. Ebd., Seite 5.

6. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 40-1, Protokollbuch des Vorstands- und Aufsichtsrates, Seite 106.

7. Ebd, Seite 183.

8. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 39-1, Protokollbuch für Generalversammlungen, Seite 43.

9. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, Festschrift 1921 – 1971 50 Jahre Raiffeisenbank Veldhausen-Neuenhaus, Seite 6.

10. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 40-1, Protokollbuch des Vorstands- und Aufsichtsrates, Seite 248.

11. Ebd., Seite 260.

12. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 186-1, Revisionsberichte 10.1955 u. 12.1957.

13. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 39-1, Protokollbuch für Generalversammlungen, Seite 74.

14. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 39-3, Protokollbuch des Vorstands- und Aufsichtsrates, Seite 84.

15. Ebd., Seite 9.

16. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 39-3, Protokollbuch des Vorstands- und Aufsichtsrates, Seite 23.