Anlässlich des Weltfrauentages haben wir uns mal mit den Frauen bei der Grafschafter Volksbank beschäftigt – historisch. Und siehe da: Es gab eine tatkräftige, resolute Frau, die über viele Jahre die Bank gestaltet hat. Angefixt von den ersten Rechercheergebnissen im eigenen Archiv wollen wir uns in den kommenden Tagen noch mal aufmachen und schauen, ob wir nicht auch in anderen Archiven Spuren finden…
Arnd (Holger) Kluge schrieb 1992 ein kleines, sehr interessantes Buch über Frauen und Genossenschaftsbewegung. Der Herausgeber Volker Beuthin konstatiert im Vorwort, dass „Frauenförderpläne, Frauenbeauftragte, Frauenquoten, Frauenforschung“, also „Frauenthemen“ seit einigen Jahren in „aller Munde“ seien.1 Das ist nun 17 Jahre her. Heute ist female shift nicht mehr bloß ein Trend, sondern voll da – mit allen Herausforderungen.
Frauenbewegung und Genossenschaftsbewegung, beide im 19. Jahrhundert entstanden, waren nach „ihrer ursprünglichen Intention (…) darauf angelegt, grundlegenden sozialen Wandel in Gang zu setzen, der benachteiligten Bevölkerungsgruppen zugute kommen soll.“2 Tatsächliche Berührungspunkte hatten die beiden Bewegungen kaum…
Genossenschaften und Frauen lässt sich in zwei Richtungen denken: als Mitglied/Kundin und als Mitglied in den Organen Vorstand und Aufsichtsrat. Laut Genossenschaftsgesetz konnten Frauen Mitglied werden. Die Aufnahme neuer Mitglieder wurde durch die Satzung geregelt. Bis zum Gleichberechtigungsgesetz 1957 mussten Genossenschaften jedoch die Erlaubnis der Ehemänner einholen, wollten sie verheiratete Frauen aufnehmen.3 Nicht selten übernahmen Witwen die Mitgliedschaft ihrer verstorbenen Männer – sicherlich vor allem dann, wenn noch Darlehn zurückzuzahlen waren. Während Kluge schreibt, dass Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat, u.a. mangels Motivation und hinreichender Vorbildung, und in Gremien eher selten seien, sind mir bei meinen Recherchen doch schon einige (interims-)Rendantinnen „begegnet“…
Werfen wir einen Blick auf unsere „Managerin“:
Da war zum einen Maria Liese (1905-1975), die seit 1922 bei der Spar- und Darlehnskasse Veldhausen angestellt war. Nach dem Tod des Rendanten Fritz Naber wurde Maria Liese in der Generalversammlung am 8. April 1931 zur Rendantin gewählt. Sie war nicht nur Schriftführerin in dieser Generalversammlung, sondern verlas auch den Geschäftsbericht für das Jahr 1930, der mit einem Reingewinn von 2.690 RM abgeschlossen werden konnte. Maria Liese wurde „durch Zuruf“ in den Vorstand gewählt, führte also fortan die Geschäfte als geschäftsführendes Vorstandsmitglied und trug damit die volle Verantwortung für das Unternehmen.4 Ihre Wahl zur Rendantin fiel in die Zeit der Wirtschaftskrise (zur Situation der Genossenschaft in dieser Zeit in einem späteren Beitrag).
Bis 1933 hatte man den Saal der Gastwirtschaft Naber als Kassenraum genutzt. Dies erschien aber zunehmend unpassend, so dass im gleichen Haus ein Zimmer hergerichtet wurde, dass nun als Kassenraum fungierte. Inwieweit das einfach Erfordernisse der Zeit waren oder diese Veränderungen sich auf Verbesserungsvorschläge bzw. Professionalisierungsabsichten von „Fräulein Liese“ zurückführen lassen, können wir den Quellen nicht entnehmen, klar ist: Sie nahm Einfluss als Vorstandmitglied. Und wir wissen aus Studien, dass solche Weiterentwicklungen seit den 1920er Jahren vielerorts auf der Tagesordnung standen. 1939 erwarb die Genossenschaft ein Grundstück an der Lingener Straße und errichtete dort ein Geschäfts- und Wohnhaus.5
Der Wiederaufbau nach 1945 trägt sicherlich Maria Lieses Handschrift. Nicht unerheblich dürfte die Währungsumstellung 1948 auf die Genossenschaftsbank gedrückt haben. 1948 bilanzierte die Bank 537.000 DM bei einem Umsatz von 2,9 Mio. DM. 17 Jahre später, 1965 – im Jahr von Lieses Verabschiedung in den Ruhestand – belief sich die Bilanzsumme auf 10. Mio. DM, der Gesamtumsatz betrug fast 150 Mio. DM. „In einer schlichten Feierstunde“ wurde Maria Liese im Dezember 1965 verabschiedet. Anlässlich ihrer Verabschiedung erschien in den Grafschafter Nachrichten ein Artikel mit der Überschrift: „Maßgeblichen Anteil am Aufstieg der Bank – Raiffeisenbank Veldhausen verabschiedet Rendantin Liese – Hinrik Vos wurde Nachfolger“. Weiter heißt es in dem Artikel: „Rückschauend dürfe demnach [gemeint ist das Wachstum der Bank, Anm. d. Verf.] von einer Rekord-Entwicklung gesprochen werden. Fräulein Liese habe diesen beispielhaften Anstieg entscheidend mitgeprägt“. Der Vertreter des Verbandes lobte Lieses Engagement: „Sie haben mit Können und Geschick verstanden, aus Ihrer Bank das zu machen, was sie heute ist“.6
Die Bezeichnung „Fräulein“ war bis in die 1980er Jahre eine völlig gängige Anrede für nicht verheiratete Frauen – es war weder despektierlich noch geringschätzend gemeint, eine formale Bezeichnung, die sich im 19. Jahrhundert vor allem in der Arbeitswelt (die für Frauen zumeist auf die Zeit vor der Ehe beschränkt blieb) als Anrede etabliert hatte.
Volksbank Nordhorn: Anna Erzgräber
Und dann war da noch Anna Erzgräber (geb. 1904). Als ihr Mann Erich, geschäftsführendes Vorstandsmitglied bei der Volksbank Nordhorn, 1943 von der Wehrmacht einberufen wurde, stellte sie sich für das Amt zur Verfügung. Damit sicherte sie sich ein kleines Einkommen, den Erhalt des Arbeitsplatzes ihres Mannes für die Zeit nach seiner Einberufung und zugleich die Aufrechterhaltung des Bankbetriebes. Anders als Maria Liese übernahm sie lediglich die Kasse, der Vorstandsposten wurde interims durch das Aufsichtsratsmitglied Alois Lambers übernommen, der damit die Managementverantwortung übernahm.7 Im Protokoll der Generalversammlung vom 16. Juli 1946 heißt es: „Da der Geschäftsführer, Herr Erzgräber, sich noch in Kriegsgefangenschaft befindet, erstattet Frau Erzgräber, die jetzt die Geschäfte der Bank führt, Bericht über die beiden Geschäftsjahre 1944 und 1945.“8 Anna Erzgräber übergab 1947 die Tätigkeit wieder an ihren Mann: Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft, seiner Entnazifizierung und der Zustimmung des Arbeitsamtes wurde Erich Erzgräber im Oktober 1947 wieder bei der Bank angestellt – seinen Posten als Vorstandsmitglied hatte er bereits im Vorjahr niedergelegt.9
Zum Weltfrauentag 2020 gibt es ein neues Rechercheergebnis im: Teil 2
1. Arnd Kluge: Frauen und Genossenschaften in Deutschland. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart (Veröffentlichung des Institutes für Genossenschaftswesen an der Philipps-Universität Marburg – Marburger Beiträge zum Genossenschaftswesen 24), Marburg, 1992, Vorwort.
2. Ebd., S. 1.
3. Ebd., S. 14-17.
4. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 38-1, Protokollbuch Spar- und Darlehnskasse Veldhausen, Eintrag 8. April 1931.
5. Archiv der Grafschafter Volksbank eG. 39-3, 50 Jahre Spar- und Darlehnskasse Veldhausen, Festschrift, S. 5.
6. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 73-1, Grafschafter Nachrichten, Artikel vom 2. Dezember 1965.
7. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 73-5, Protokollbuch Volksbank Nordhorn, Protokoll Aufsichtsrat, Eintrag 1. März 1943.
8. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 39-3, Protokollbuch Volksbank Nordhorn, Protokoll Generalversammlung, Eintrag 16. Juli 1946.
9. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 73-4, Protokollbuch Volksbank Nordhorn, Protokoll Vorstand und Aufsichtsrat, Beschluss 14. Oktober 1947.