„Ausweitung unseres Geschäftsbezirkes auf die ländlichen Randgebiete der Stadt Nordhorn“

So ist es wörtlich nachzulesen. Die Ausweitung wurde auf Anregung des Verbandes in der Vorstands- und Aufsichtsratssitzung vom 20.11.1953 „eingehend zur Debatte gestellt“. 1 

In der nachfolgenden Sitzung wurde der Rendant Hermann Wilmink beauftragt, sich mit den Vorbereitungen einer eventuellen Eröffnung einer Zweigstelle in Nordhorn vertraut zu machen. 2

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 75-2, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll, S. 129

Im nebenstehenden Dokument ist protokolliert, erst einmal das Interesse der ländlichen Bevölkerung in den umliegenden Gemeinden von Nordhorn „zu erkunden“.

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 75-2, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll, S. 132.

Fast in jedem Monat des Jahres 1954 wurde dieses Thema in den Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen debattiert. Dabei wurden auch die ablehnende Haltung einiger Meinungsbildner sowie die Bedenken der Landesgenossenschaftsbank diskutiert. Danach wurde beschlossen, den Bezirksdirektor Dr. Rossberg 3 einzuladen, um die Meinung des Genossenschaftsverbandes zu hören. Die Recherchen hierzu ergaben etwas sehr Interessantes. Aber lesen Sie bitte selber den protokollierten Text dazu:

 

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 75-2, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll, S. 136.

Der Verband sah die Lösung in einer Verschmelzung!?

Da sonst das Gebiet Nordhorn „bankmässig für immer dem Genossenschaftswesen verloren gehe“!?

Welche „Spar- und Darlehnskasse Nordhorn“ stand vor der Liquidierung??

Kurzer Exkurs zu den recherchierten Antworten:

In Nordhorn existierte zwar die „Volksbank“ (ursprünglich als Spar- und Darlehnskasse Nordhorn eGmbH zu Nordhorn gegründet), diese war aber nicht vom Verband damit gemeint und entstammte einer anderen Verbandszugehörigkeit. Dadurch wird die Annahme des Verbandes, dass etwas „verloren gehe“, plausibel.

Quelle: Nieders. Landesarchiv (NLA) Osnabrück (OS) – Rep 950 Nordh Akz. 201894 Nr. 9.

Es handelte sich vielmehr um die älteste – bereits in 1903 – gegründete Genossenschaftsbank in unserem Landkreis. Die Gründung der Spar- und Darlehenskasse eGmuH Altendorf wurde durch den Wanderlehrer August Fricke vom damaligen Verband hannoverscher landwirtschaftlicher Genossenschaften als Berater begleitet. Im Zuge der Gemeindereform vom 01.07.1929 lautete die Firmierung dann Spar- und Darlehnskasse eGmuH Nordhorn-Altendorf. 4 Daraus lässt sich die oben aufgeworfene Frage beantworten.

Diese Genossenschaft hatte zwar den I. Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise überstanden, aber durch den II. Weltkrieg die Energien der handelnden Personen und Mitglieder vermutlich verloren. Nach der Währungsreform vom 20.06.1948 erfolgte die Prüfung der Umstellungsrechnung durch den Genossenschaftsverband. Dieser kam am 24.05.1951 zum Ergebnis:  „Der Geschäftsbetrieb der Genossenschaft ist seit der Währungsreform nicht in Gang gekommen“. In den Registerakten ist der Protokollabschrift der Generalversammlung vom 28.09.1951 zu entnehmen, dass dann mit 13:1 Stimmen die sofortige Auflösung der Spar- und Darlehnskasse Altendorf beschlossen wurde.4

Und hier setzte sicherlich die Überlegung des Genossenschaftsverbandes an, die Liquidierung durch eine Verschmelzung – der beiden im ländlichen Raum entstandenen Genossenschaftsbanken – zu verhindern. Vorstand und Aufsichtsrat der Spar- und Darlehnskasse Brandlecht beschlossen daraufhin, diesen Vorschlag ihren Mitgliedern auf der nächsten Generalversammlung zu unterbreiten. Die in der Umstellungsbilanz von der Spar- und Darlehnskasse eGmuH Nordhorn-Altendorf bilanzierten Ausgleichsforderungen sorgten dann aber für erhebliche Störfaktoren:

Quelle: Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 75-2, Protokoll für Vorstand- und Aufsichtsrat, S. 141.
Ebd., S. 153.
Ebd., S. 156.

 

 

 

 

Rendant Hermann Wilmink war es inzwischen gelungen, ein geeignetes Geschäftslokal an der Lingener Straße in Nordhorn zu finden. Ein Mietvertrag mit 10-jähriger Laufzeit bei vierteljähriger Kündigungsmöglichkeit stand vor dem Abschluss. Die Eröffnung war zum 1. Februar 1955 vorgesehen, soweit eine für Mitte Januar 1955 geplante „Verschmelzungs-General-Versammlung“ die „formelle Seite“ bestätigen würde. So berichtet es das Vorstands-und Aufsichtsratsprotokoll vom 17.12.19555

Quelle: Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 75-2, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll, S. 181.

Dazu kam es aber nicht, da aus Hannover die Genehmigung der Bankaufsichtsbehörde nicht vorlag. Der Verband wurde zur Unterstützung eingeschaltet. 6 Weitere Störfaktoren traten auf. Das Protokoll vom 01.03.1955 gibt Zeugnis davon, dass „der Antrag auf Weiterführung der Bankgeschäfte der Spar- und Darlehnskasse Altendorf von der Bankenaufsichtsbehörde abgelehnt wurde.“ ( 212-6 Antrag auf Weiterfhrg. Spadaka Altendorf, 23.12.1954 ) Die Begründung ist im abgebildeten Protokollauszug enthalten. Gegen diesen Bescheid wurde am 16.03.1955 Einspruch eingelegt ( 212-6 Einspruch gegen die Ablehnung Zwgst. Lingener Str., 12.03.1955 ). Unter Mithilfe des Verbandes, einer Unterschriften-Aktion und der Stellungnahme des landwirtschaftlichen Kreisvereins ( 212-6 Stellungnahme d. ldw. Kreisvereins, 14.03.1955 )wurden die Unterlagen vom Prüfungsdienstleiter des Genossenschaftsverbandes persönlich im Ministerium vorgelegt. Über diesen Einspruch wollte die Behörde aber nur nach Anhörung der Landeszentralbank in Nordhorn entscheiden.7

Quelle: Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 75-2, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll S. 189.
Quelle: Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, Bildbestand

Die Beharrlichkeit und der Einspruch der damaligen Raiffeisenkasse Hestrup e.G.m.b.H., die ländlichen Bevölkerungsstrukturen um Nordhorn mit Geld-Dienstleistungen zu versorgen, hatte am Ende Erfolg. Mit dem 18. April 1955 erteilte der Minister die Genehmigung für eine Nebenzweigstelle ohne Kontoführung (212-6 Gen. d. Ministers Nebenzwgst. o. Ktofhrg, Lingener Str., 18.04.1955 ). Mit Vorstands- und Aufsichtsratsbeschluss vom 26.04.1955 wurde die Eröffnung umgehend eingeleitet. Mit einer Mitteilung an alle Haushaltungen wurde der Bevölkerung die Eröffnung zum 2. Mai 1955 übermittelt (212-6 Flyer a. alle Haushaltungen z. Eröffnung Ling. Str. 44 ).

Gerhard Bosink, Quelle: Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, Bildbestand

Mit Gerhard Bosink, der zum 01.07.1955 die Leitung der Zweigstelle übernahm, begann eine rasante Entwicklung. Bereits gut ein Jahr später musste der Minister auf Antrag die Genehmigung in eine Hauptzweigstelle mit Kontoführung umwandeln (212-6 Gen. d. Ministers HptZwst. m. eigener Ktofhrg. , Lingener Str. 09.10.1956). Zur Personalentlastung wurden noch im November 1956 eine Geldzählmaschine und im Januar 1957 ein Buchungsautomat angeschafft.8

Schon circa 2 1/2 Jahre nach der Eröffnung führte die „außerordentlich gute Entwicklung der Hauptzweigstelle“ in der Generalversammlung vom 05.09.1957 zu dem Mitgliederbeschluss, Vorstand und Aufsichtsrat zu Kaufverhandlungen zu ermächtigen. Um rechtzeitig eine Lösung für die „schon in nächster Zeit akut werdende Raumfrage“ angehen zu können, sollte der Erwerb für einen Bauplatz zum Neubau eines Bankgebäudes ermöglicht werden. 9

Quelle: Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbnk eG, 73-2, Generalversammlungsprotokoll, S. 114.
Quelle: Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, Bildbestand

Die nächste Generalversammlung am 02.12.1958 gab mit ihrem einstimmigen Beschluss bereits „grünes Licht“ für einen Neubau: Der Geschäftsführung war es gelungen, das Grundstück Lingener Straße 27 dafür zu erwerben. Die Rede des Rendanten Hermann Wilmink im Juli 1960 anlässlich der Neubau-Eröffnung dokumentiert nochmals den schwierigen – aber letztendlich sehr erfolgreichen – Weg dieser mutigen Entscheidungen. 172-1 Rede H. Wilmink z. Eröff.Neubau Ling.Str.27

Quelle: Unternehemnsarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 75-4, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll, S. 20.

In etwa 185.000 DM waren für dieses Gebäude veranschlagt worden. 10 Die größere der beiden Wohnungen wurde ab dem 01.09.1960 an den Zweigstellenleiter Gerhard Bosink vermietet.11 Der Einbau eines Tresorraumes, einer Nachttresor-, einer Schließfach- und einer Briefschließfachanlage der Firma Bode Panzer, Hannover erweiterte das Dienstleistungsangebot für die Kundschaft.12  Mit nachstehenden Öffnungszeiten wurden die Bankgeschäfte im Neubau umgesetzt.

  • In 1964 wurde im Rahmen der gesetzlichen Anforderungen eine Kassenbox mit Panzerverglasung eingebaut. 13
  • In 1965 wurde die 5-Tage-Woche eingeführt und der Sonnabend blieb geschlossen.14
  • Am 03.02.1966 beschlossen die Verwaltungsmitglieder, für die Bank das Nachbargrundstück für 110.000 DM für eine weitere Entwicklung zu sichern.15
  • Im August 1966 wurde beschlossen, die unzureichenden Parkmöglichkeiten durch den Ausbau des bereits geplanten Parkplatzes umzusetzen.16
  • Im Juli 1967 war eine kleine bauliche Veränderung notwendig, um einen separaten Raum für die Buchhaltung zu schaffen.17
  • Am 11.09.1968 beschloss die Verwaltung aufgrund der Expansion die Geschäftsräume durch einen Anbau der notwendigen Entwicklung anzupassen. Die Bauarbeiten mit einem geplanten Volumen von 150.000 DM konnten im November 1969 abgeschlossen und die neuen Räumlichkeiten am 21.11. offiziell eröffnet werden.18

Die weitere Geschichte der „Lingener Straße“ nach der Fusion der Raiffeisen-Bank Hestrup eGmbH. mit der Volksbank Nordhorn eGmbH. zur Raiffeisen- und Volksbank Nordhorn eGmbH finden Sie hier: Teil 2

 

1. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 75-2, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll, S. 109

2. Ebd., S. 125

3. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, B 11, Raiffeisen-Genossenschaftsverband Weser-Ems e.V., Oldenburg,1890 – 1990  100 Jahre – Gemeinsam voran, S. 150.

4. NLA OS Rep 950 Nordh Akz. 201894 Nr. 8

5. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 75-2, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll, S. 166.

6. Ebd., S. 177.

7. Ebd., S. 185.

8. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 73-3, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll, S. 59 u. 70.

9. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 73-2, Generalversammlungsprotokoll, S. 110.

10. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 75-4, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll, S. 8.

11. Ebd., S. 14+15.

12. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 73-3, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll, S. 179.

13. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 75-5, Vorstand- und Aufsichtsratsprotokoll, S. 13.

14. Ebd., S. 72.

15. Ebd., S. 71 u. 80.

16. Ebd., S. 111

17. Ebd., S. 155

18. Ebd., S. 196, 198, 218 u. 229.