Selbsthilfe – Selbstverwaltung – Selbstverantwortung – März 1923:
Die Gründung der damaligen „Spar= und Darlehnskasse e.G.m.u.H in Schüttorf“ ! Der 1. gemietete Geldschrank existiert noch heute !

Die Gründung einer Spar- und Darlehnskasse mit den meisten Gründungsmitgliedern fand am 16. März 1923 in Schüttorf statt. Mit Ernst Asche aus Samern wirkte wiederum ein Lehrer bei der Gründung dieser Genossenschaft als gewählter Vorsitzender der Gründungsversammlung mit.  Die im Gründungsstatut aufgeführte Namensliste endet bei Nr. 44, die größte Anzahl an Gründungsmitgliedern, die bei den Gründungen in unserem Landkreis festzustellen ist. Die Berufe verteilten sich wie folgt: 23 Landwirte, 2 Kötter, 4 Handwerker, 3 Kaufleute, 3 Händler, 2 Lehrer, 1 Güterexpedient, 1 Eisenbahnsekretär, 1 Stationsvorsteher, 1 Postmeister, 1 Gastwirt, 1 Zöllner, 1 Privatier. Noch im Gründungsjahr stieg die Mitgliederzahl auf 81 an. Mit 120 weiteren Zugängen verzeichnete die Genossenschaft in 1924 bereits 201 Mitglieder. 1

Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 1-1, Gründungsprotokoll Seite 1.
Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 1-1, Gründungsstatut Seite 8.
Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 1-1, Gründungsstatut Seite 9.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Begleitet wurde die Gründung vom Verband ländlicher Genossenschaften, Hannover in Person durch den zum Schriftführer ernannten wissenschaftlichen Genossenschaftsbeamten Rühling, Hannover. Dieser Verband gehörte zur Vereinigung deutscher landwirtschaftlicher Genossenschaften (Haas).2  In 1930 fusionierte der „Haas“-Verband mit dem „Raiffeisen“-Verband zum „Reichsverband“ und wurde 1949 umbenannt in „Deutscher Raiffeisenverband“

Rendant Johann Klümper, Quelle: Der Enkel Rolf Stamme, Schüttorf – ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Volksbank Schüttorf, 1987-1999, Aufsichtsratsmitglied Volksbank Obergrafschaft, 1999-2007, dann Grafschafter Volksbank, 2007-2015)

„Zum Rendanten wird Herr Kaufmann Johann Klümper, Schüttorf, Singel, gewählt“. 3 Er ist unter der Nr. 31 als Gründungsmitglied registriert. Die Genehmigung zum Betreiben der „Depot= und Depositengeschäfte“ wurde am 10. April 1923 vom damaligen Minister für „Handel und Gewerbe und die Landwirtschaft, Domänen und Forsten“ erteilt.

Die erste Generalversammlung nach der Gründung fand am 18. April 1923 in „Lenzings Gasthof“ statt, unter Vorsitz des zum Vorsitzenden des Vorstandes gewählten Lehrer Ernst Asche. 4

Zur gewählten Rechtsform e.G.m.u.H. ist im § 10 (Pflicht eines Mitglieds) des Gründungsstatuts in Punkt 6 zu lesen: „für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft dieser, sowie unmittelbar den Gläubigern derselben nach den Bestimmungen des Gesetzes mit seinem gesamten Vermögen zu haften (unbeschränkte Haftpflicht).“ 5   Dies ist vermutlich heute nicht mehr denkbar. Erst am 02.10.1956 wurde auf der Generalversammlung die Änderung dieser Rechtsform in e.G.m.b.H. (beschränkte Haftpflicht) beschlossen und „die Haftsumme pro Anteil auf DM 1.000 festgesetzt.“ 6

Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 11-6, Protokollbuch f.d Generalversammlung, Seite 1.
Quelle: Die Enkelin Brigitte Stamme, Schüttorf
Quelle: Fa. Klüsta, Schüttorf
Quelle: Fa. Klüsta, Schüttorf

 

Aber was hatte es jetzt mit dem Geldschrank auf sich ?

 

 

 

Nun, dem Beschluss der 1. Generalversammlung ist unter TOP 3 zu entnehmen: „Die Generalversammlung genehmigt einstimmig den Beschluß des Vorstands und des Aufsichtsrats, leihweise gegen Miete den dem Herrn Rendanten gehörenden Geldschrank zu benutzen.“ Als Geschäftslokal diente das Büro der Fa. B. Klümper (später Klümper & Stamme) im Singel in Schüttorf. 7  „Als Kassenstunden wurden vorläufig folgende Zeiten festgesetzt: vorm. 8-12 Uhr, nachm. 3-6 Uhr.“ 8 Und in diesem Büro stand auch der damalige Geldschrank, den es heute noch gibt. Die 4 Enkelkinder spielten häufiger in diesen Büroräumen auch während der Bürozeiten. Hiervon zeugt die Innentür, in der sich die eingeritzten Initialien mit Jahreszahl wiederfanden. Durch die damalige Umsiedlung der Firma „Klüsta“ in das Gewerbegebiet an der Wacholderstraße/Fichtenstraße zog auch dieser Geldschrank mit und steht heute dort noch in den Büroräumen. Nach einem Einbruch musste er allerdings restauriert werden. 9

Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 249-2, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokoll, Seite 3.

Die Deutsche Inflation 1914 – 1923  trieb in diesem Gründungsjahr 1923 mit der sogenannten Hyperinflation ihrem Höhepunkt entgegen. Nur so lassen sich der beschlossene Zinssatz von 25 % und eine Kreditaufnahme bei der damaligen Zentralbank (LGB) in Höhe von 200.000.000 Mark erklären, bevor es im Nov. 1923 zur Einführung der Rentenmark kam.

Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 249-2, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, Seite73.

Es darf vermutet werden, dass die wirtschaftlichen schwerwiegenden Folgen des 1. Weltkriegs (1914-1918) die Gründungsmitglieder antrieb, die Genossenschaftsidee als Möglichkeit der Linderung dieser Notlage einzusetzen. Zumal den beteiligten Landwirten der bereits am 10.03.1892 als Genossenschaft gegründete Landwirtschaftliche Konsumverein Schüttorf bekannt war.10 Wahrlich keine leichte Aufgabe die der erste Rendant Johann Klümper übernahm. Eine Inventur vom 20.06.1948 zeigt die wenigen Mittel die dafür zur Verfügung standen. Aber seine Firma verfügte schon damals über eine 100jährige Erfahrung (Klüsta seit 1821 – GN-Beilage Seite 6 v. 19.10.2007) als eine der ältesten Schüttorfer Firmen. 11 Somit verfügte er vermutlich über ein gutes „Rüstzeug“ für diese Aufgabe und das eindeutige Votum von 43 Gründungsmitgliedern.

 

Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 11-6, Protokollbuch für Generalversammlungen, Seite 12 u. 13.

Aufgefallen ist dem Autor die Protokollierung zum TOP 5 der Generalversammlung vom 30.07.1927 und verdient eine Veröffentlichung. Diese Anregung wurde in der Generalversammlung am 07.05.1928 für das Bilanzjahr 1927 sofort umgesetzt. Warum die Glättung des Reingewinns übertragen, wenn es auch „flüssiger“ geht. (Exkurs: Es waren ca. 3-4 Bier für jeden der 28 anwesenden Mitglieder, 39,61 RM bei ca. 0,36 RM pro Bier). Es blieb aber nur bei diesem „einen“ Beschluss. In den Jahren danach wurde wieder auf neue Rechnung vorgetragen.

Ein tolles Fundstück aus 1930 wurde nun dem Archiv zugeführt. Ein Original-Quittungsbuch der Spar- und Darlehnskasse Schüttorf. Der Quittierungsvermerk trägt die Unterschrift vom damaligen Rendanten Johann Klümper !

Quelle: UA – N4
der Enkel
des Inhabers,
Frank Roolfing,
Schüttorf

 

 

 

 

 

Am 03.06.1932 wählte die Generalversammlung Johann Klümper in den Vorstand. 12 Die Spar- und Darlehnskasse überlebte Dank seines Wirkens den 2. Weltkrieg und schrieb somit weiter mit an der örtlichen Wirtschaftsgeschichte.

In 1953 feierten in Schüttorf zwei Genossenschaften gemeinsam Jubiläum. Das 30jährige Bestehen der Spar- und Darlehnskasse und das 60jährige Bestehen des schon erwähnten Konsumvereins, der im Volksmund auch heute noch genannten „Genossenschaft“ oder „Warengenossenschaft“ (später fusioniert zur RWG Obergrafschaft): 13-1 LBA u. Spadaka feiern gemeinsam 60 J. u. 30. J-Bestehen, 02.05.1953

Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 249-3, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, Seite 105

In 1954 hatte der Geldschrank von Johann Klümper ausgedient. Am 20.11.1954 wurde vom Vorstand und Aufsichtsrat die „Anschaffung eines der heutigen Zeit entsprechenden Geldschranks“ genehmigt.

Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 11-6, Protokollbuch für Generalversammlungen, Seite 61.

Am 03.07.1954 beschloss die Generalversammlung erstmalig unter TOP 9 eine Namensänderung in „Raiffeisenkasse e.G.m.u.H. Schüttorf“. Warum ? Den Grund lesen Sie hier: 187-1 Apell d.Verbandes zur Umfirmierung auf Raiffeisen Rdschr. A3-,5_3_1954. Passend dazu unser Blogbeitrag „Einfach anders“. Er erklärt unsere Wurzeln und unsere Herkunft.

Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 3-1, Revsionsbericht Punkt 27. Geschäftslokal, Personal.

Im Mai 1955 löste der Genossenschaftsverband unter Nr. 27. in seinem Revisionsbericht einen erheblichen Entwicklungsschritt aus. Er stellte fest: Das Kassenlokal ist vollkommen unzureichend für die weitere Entwicklung !

Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 11-6, Protokollbuch für Generalversammlungen, Seite 64
Quelle: UA der Grafschafter Volksbank eG, 11-6, Protokollbuch für Generalversammlungen, Seite 63.

Daraufhin ist bereits zwei Monate später in der Generalversammlung vom 12.07.1955 der TOP 9) zu finden: „Beschlußfassung über Grundstückserwerb“. Vorher hatten die Mitglieder unter TOP 7 den Rendanten Johann Klümper für eine weitere Wahlperiode als Vorstandsmitglied wiedergewählt.

 

Wie geht es nun weiter ? Lesen Sie dazu Teil 2.

 

 

 

1. Unternehemnsarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 13-1, Rückblick auf 40jähriges Bestehen, 1963

2. Meyerholz, Dr. Heinrich, 50 Jahre ländliche Genossenschaftsarbeit in Hannover-Braunschweig, S. 5 bis 12.

3. Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 1-1, Gründungsprotokoll vom 16. März 1923, Seite 3.

4. Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 11-6, Protokollbuch für die Generalversammlung, Seite 1.

5. Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 1-1, Gründungsstatut, Seite 2.

6. Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 11-6, Protokollbuch für die Generalversammlung, Seite 68.

7. Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 249-3, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, Seite 67.

8. Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 249-2, Protokollbuch für den Vorstand, Seite 1.

9. mündliche Zeitzeugenaussage vom Geschäftsführer der Fa. Klüsta, Rolf Stamme, Schüttorf gegenüber dem Autor.

10. Rötterink Albert, Das Genossenschaftswesen in der Grafschaft Bentheim, Tabelle 2, Seite 23.

11. Funke, Heinrich, Schüttorf – Geschichte und Geschichten, S. 119.

12. Unternehmensarchiv der Grafschafter Volksbank eG, 11-6, Protokoll für die Generalversammlung, Seite 21.