Das Titelbild zeigt das Haus Jan Ruitmann (später Riesenbeck). Hier wurden nach der Gründung ab 1920 die ersten Bankgeschäfte erledigt; Foto: Winkelink 1

Selbsthilfe – Selbstverwaltung – Selbstverantwortung – Dezember 1919:
Nach diesen Schlagworten, die das Leitbild der genossenschaftlichen Idee sind, handelten am 6. Dezember 1919 zwei große Emlichheimer Persönlichkeiten und legten damit den Grundstein für das hundertjährige Bestehen der Genossenschaftsbank in Emlichheim.
Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 32-2, 75 Jahre Volksbank Emlichheim 1919 – 1994, S. 14.

Der Landwirt und Molkereidirektor Jakobus Stokman war als Mitbegründer der Vorsitzende in der Gründungsversammlung der Spar- und Darlehnskasse eGmuH in Emlichheim. „Er war der Sohn des seinerzeitigen langjährigen Bürgermeisters (1873 bis 1919) von Emlichheim, Jan Stokman. Er hatte mit einem Partner 1904 eine Dampfmolkerei gegründet, die dann im Dezember 1908 in eine Genossenschaftsmolkerei überging.  In Laar war bereits ein Jahr zuvor, 1907, eine Molkereigenossenschaft aus der Taufe gehoben worden.“ 2 Jakobus Stokman wurde in der Gründungsversammlung in den Aufsichtsrat gewählt. 21 Jahre lang prägte er als Aufsichtsratsvorsitzender 3 bis zu seinem plötzlichen Tod am 14. Mai 1940 maßgeblich die Entwicklung der Spar- und Darlehnskasse. 4

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 32-2, 75 Jahre Volksbank Emlichheim 1919 – 1994, S. 20.

Der Kaufmann Karl Collmann von Schatteburg war als Mitbegründer der erste gewählte Rendant. 5 Gleichzeitig war er der erste gewählte Vorsitzende des Vorstandes 6 und prägte somit die Geschäftsführung über 28 Jahre bis zu seinem gesundheitlichen Rücktritt am 18. Juni 1947 mit großer Sorgfalt. 7  In dieser Vorstands- und Aufsichtsratssitzung war er bei der Wahl des Nachfolgers noch genauso beteiligt, wie auch am 30. Juni 1947 zur Übergabe der Rendantengeschäfte an seinen Nachfolger. Beide Protokolle tragen seine Unterschrift. 8 Er verstarb 1957 im Alter von 80 Jahren. 9

Nach der Überlieferung übte Karl Collmann von Schatteburg seine Tätigkeit nur vormittags aus. 10 Ihm zur Seite stand als Angestellte von 1926 bis 1945 Fenna Timmermann aus Emlichheim. Ihr folgte genau mit Beendigung des 2. Weltkrieges, am 8. Mai 1945 Hindrik-Jan Scholtmann.

 

Quelle: Archiv der Graf-
schafter Volksbank eG,
22-1, Protokoll der
Errichtung und Statut der
Spar- und Darlehnskasse

 

 

 

 

 

 

 

 

Es waren 19 Landwirte, vier Kaufleute und drei Handwerker, die als Mitbegründer das erste Statut unterschrieben haben. Die erste außerordentliche Generalversammlung fand am 19. Januar 1920  „abends 8 Uhr in Büssemakers Gasthof“ statt. 11 Vorher um „5 1/2 Uhr in Büssemakers Gasthof“ waren Vorstand und Aufsichtsrat zu ihrer ersten offiziellen gemeinsamen Sitzung zusammengekommen. In dieser Sitzung unter TOP 4 verabschiedeten sie die Geschäftszeiten  und in der zweiten Sitzung  am 28. Januar 1920 mieteten sie das erste Geschäftszimmer im Haus von Jan Ruitman an. Er wurde verpflichtet eine „… elektrische Lichtleitung bis zur Decke des Zimmers legen zu lassen.“ Eine „… einfache Lampe auf Kosten der Genossenschaft…“ wurde angeschafft. Ein Tisch, Stühle und ein Ofen wurden ebenfalls gemietet. 12

Quelle: Archiv der Grafschafter Nachrichten, Zeitung und Anzeigenblatt vom 07.02.1920

Aus Kostengründen zog man einen Antrag auf einen Fernsprechanschluss zurück und teilte sich mit der Molkerei Laar die jährliche Gesamtgebühr für einen Haupt- und Nebenanschluss. 13  Am 07.02.1920 wurde die Eröffnung des Geschäftsbetriebes durch eine Anzeige bekannt gegeben.

Laut Gründungsprotokoll hatte jedes Mitglied ein Eintrittsgeld von 15 Mark zu bezahlen. Im § 26 des Statuts wurde für die Mitgliedschaft die Höhe des Geschäftsanteils mit 50 Mark festgesetzt. Es bestand die Verpflichtung 10 Prozent ( 5 Mark) sofort einzuzahlen. Hieraus entstanden die ersten liquiden Mittel, um dem im § 2 des Statuts festgelegten Zweck angehen zu können:

“ Der Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb einer Spar- und Darlehnskasse auf gemeinschaftliche Rechung zwecks Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft der Mitglieder „

Zur Mitgliedschaft bedurfte es gemäß § 4 des Statuts:

  1. „einer schriftlichen Beitrittserklärung“
  2. „eines Aufnahmebeschlusses durch den Vorstand“
  3. „der Eintragung in die vom Gericht geführte Liste der Genossen“

Kredite durften zur damaligen Zeit nur den beigetretenen Mitgliedern gewährt werden.

Gemäß § 29 des Statuts hatte der Vorstand für den Geschäftsbetrieb eine Geschäftsordnung aufzustellen und nach Vorberatung mit dem Aufsichtsrat der Generalversammlung zu Genehmigung vorzulegen. Diese wurde in der zweiten außerordentlichen Generalversammlung am 20. Juli 1920 unter TOP 2 ebenso beschlossen wie die Dienstanweisung für den Vorstand und den Aufsichtsrat. 14 Im § 37 des Statuts wurde festgelegt, dass die Spar- und Darlehnskasse dem Verband hannoverscher landwirtschaftlicher Genossenschaften e.V. zu Hannover beizutreten hatte. Neben einer beratenden Tätigkeit übte der Verband die notwendigen Revisionen entsprechend dem Genossenschaftsgesetz aus. Die erste Revision am 14. Oktober 1921 wurde in einem achtseitigen Revisionsbericht dokumentiert. 15

Nicht unerwähnt bleiben darf für die Gründungsphase noch der § 10 des beschlossenen Gründungsstatuts, in dem die Pflichten eines Mitgliedes der Spar- und Darlehnskasse Emlichheim festgelegt wurden. Hier besonders die Nr. 6: für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft dieser, sowie unmittelbar den Gläubigern derselben nach den Bestimmungen des Gesetzes mit seinem ganzen Vermögen zu haften (unbeschränkte Haftpflicht).“  Das darf man nachträglich als zur damaligen Zeit durchaus mutig oder auch von der Genossenschaftsidee überzeugt bezeichnen.

Allerdings fand bereits am 23. November 1921 eine außerordentliche Generalversammlung statt. Unter TOP 1 hielt Rudolf Rühling einen Vortrag zu Haftungsfragen. 16 Dies war zuvor auf der Vorstands- und Aufsichtsratssitzung vom 15. November 1921 beschlossen worden. 17 Rudolf Rühling, wissenschaftlicher Beamter für Genossenschaftswesen der Landwirtschaftskammer Hannover, war bereits in der Gründungsphase (s. Schriftführer im Gründungsprotokoll) als Berater in Emlichheim dabei. Unter dem TOP 2 wurde dann mit der notwendigen Dreiviertel-Mehrheit durch eine Statutenänderung die Umwandlung in eine “ … beschränkte Haftpflicht… “ beschlossen. Dabei wurde mit 5.000 Mark eine Haftsumme pro Geschäftsanteil festgelegt und somit die Haftung beschränkt. In diesem Zusammenhang wurde beschlossen, einem Mitglied die Zeichnung von bis zu 10 Geschäftsanteilen zu ermöglichen.  Damit war aus der eGmuH die Spar- und Darlehnskasse eGmbH geworden. Die Verzinsung der auf die Geschäftsanteile eingezahlten Geschäftsguthaben betrug gemäß § 34 des Statuts bis zu 4 %. Die Höchstkreditgrenze an ein Mitglied wurde in dieser Generalversammung mit 100.000 Mark beschlossen. Der Vorstand durfte alleine eine Kreditgewährung von bis zu 20.000 Mark beschließen. Darüber hinaus musste der Aufsichtsrat dem Kredit an einzelne Mitglieder zustimmen. 18

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 21-9, Protokollbuch von Vorstand und Aufsichtsrat, S. 38.

Die Entwicklung nach der Gründung begann sehr zuversichtlich. Bereits Ende des ersten Bilanzjahres 1920 hatte die Genossenschaft bereits 136 Mitglieder. Ende 1921 waren es 158 und Ende 1922 sogar 172 Mitglieder. Anfang der 1920er Jahre waren die wirtschaftlichen Verhältnisse  stark durch die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges geprägt. Die Inflation trieb langsam ihrem Höhepunkt entgegen, die Mark verlor immer mehr an Kaufkraft. Ende 1923 zählte die Genossenschaft zwar 218 Mitglieder, aber die letzte Vorstands- und Aufsichtsratssitzung datierte auf den 23. Oktober 1923. Die Geschäfte wurden eingestellt. Die nächste dokumentierte Sitzung fand erst wieder am 22. August 1924 statt. Der Rendant musste den Verwaltungsmitgliedern in dieser Sitzung mitteilen, das die Bilanz 1923 mit einem Verlust von 2.003.710.222.998,12 Mark abschließen würde. Eine unvorstellbar große Zahl. Die Bilanzsumme lag bei 14,8 Billiarden Mark. Es wurde beschlossen, die Generalversammlung über die „Weiterführung der Kasse“ abstimmen zu lassen.

 Sollte alle Mühe vergebens gewesen sein ? Teil 2 gibt hierüber Aufschluss.

Zu den prägenden Persönlichkeiten sowie der Entwicklung in Zahlen klicken Sie hier.

 

 

 

 

1. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 32-2, 75 Jahre Volksbank Emlichheim 1919 – 1994, S. 16.

2. Ebd., S. 14.

3. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 21-9, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 2.

4. Ebd., S. 188

5. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 22-1, Gründungsprotokoll.

6. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 21-9, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 2.

7. Ebd., S. 223.

8. Ebd., S. 225.

9. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, Sign. 21-12, Verzeichnis der Genossen, S. 1.

10. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 32-2, 75 Jahre Volksbank Emlichheim 1919 – 1994, S. 20

11. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 21-8, Protokollbuch für die Generalversammlung, S. 1.

12. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 21-9, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 1, 2, 4 und 18.

13. Ebd., S. 8

14. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 21-8, Protokollbuch für die Generalversammlung, S. 3.

15. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 184-1, Revisionsbericht vom 14. Oktober 1921.

16. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 21-8, Protokollbuch für die Generalversammlung, S. 5.

17. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 32-2, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 21.

18. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 21-8, Protokollbuch für die Generalversammlung, S. 6 und 7.