Selbsthilfe – Selbstverwaltung – Selbstverantwortung – Juni 1923:
Ein einzelner Initiator dieser Gründung wurde erst mit dem 30-jährigen Bestehen dokumentiert!       
                  
Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 14-1, Protokollbuch für Generalversammlungen, S.1+2.

Der wissenschaftliche Genossenschaftsbeamte Rühling, Hannover war auch hier als „Schriftführer“ vor Ort, als 25 Bürger Bentheims am 4. Juni 1923 die Spar- und Darlehnskasse eGmuH gründeten.1 Es handelte sich um sieben Handwerker, fünf Lehrer, vier Kaufleute, zwei Zollinspektoren, einen Postmeister, einen Hotelbesitzer, einen Fabrikbesitzer, einen Dentist, einen Steuersekretär, einen Landwirt und einen Gastwirt.2 Vier Wochen später, am 06.07.1923 kam es zur ersten Generalversammlung im Gasthof Schulze-Berndt. Protokolliert wurde es wiederum durch den schon genannten wissenschaftlichen Genossenschaftsbeamten Rühling, Hannover.

Wer noch „Sütterlin“ beherrscht, kann unter TOP 5 schnell lesen, wer zum 1. Rendanten in Bentheim gewählt wurde – der Kaufmann Hermann Lammers. In den wenigen überlieferten Archivalien der Spar- und Darlehnskasse gab es leider kein Foto. Dafür aber diese lesenswerten Veröffentlichungen und warum der Vorsitzende des Vorstandes sein Amt niederlegte:

Quelle: Archiv der Grafschafter
Volksbank eG,329-2, Chronik
der Genossenschaft I.

Durch die Folgen des 1. Weltkriegs trieb die 1919 begonnene Hyperinflation ihrem Höhepunkt zu. Die wirtschaftliche Not war sicherlich auch in Bentheim groß. Vielleicht lässt sich hieraus erklären, dass für ein Geschäftslokal die Räumlichkeiten im Hause des Malerbetriebes Bruns in der Wilhelmstraße 10 vorerst für fünf Jahre – danach mit 1/2 Kündigung angemietet wurden. Damit verbunden wurde Herr Bruns „als Gegenbuchführer mit 1-jähriger Probezeit angestellt“.3

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 18-5, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 7.

Das Geschäftslokal wurde erstmalig geöffnet am Sonnabend, 25. August 1923.4 Im November 1923 genehmigten Vorstand und Aufsichtsrat den Abschluss eines Vertrages mit der „Finanzkasse“ zur Übernahme der Steuerannahmestelle. In einer außerordentlichen Generalversammlung vom 16.03.1925 stand die Aufhebung der Rechtsform“unbeschränkte Haftpflicht“ zur Diskussion. Mit 47 zu vier Gegenstimmen wurde die Änderung abgelehnt. Der wissenschaftliche Genossenschaftsbeamte Rühling war wiederum zu Rate gezogen worden und hatte vor der Abstimmung das Für und Wider der beiden Rechtsformen GmuH und GmbH erläutert.5

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 14-1, Protokollbuch für Generalversammlungen, S. 29.
Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 14-1, Protokollbuch für Generalversammlungen, S. 84.

Walter Schöndube – Uelzen wurde am 02.06.1925 als 2. Rendant vom Vorstand und Aufsichtsrat angestellt.6 Das damit eine fast 35-jährige Tätigkeit herauskommen würde, konnte damals sicher keiner ahnen. Walter Schöndube prägte maßgeblich die Entwicklung der Bank durch sein Fachwissen und seine markante Persönlichkeit bis zum 01.12.1959. In der Generalversammlung vom 07.06.1934 wurde er von den Mitgliedern in den Vorstand gewählt7 und in der Vorstands- und Aufsichtsratssitzung vom 20.08.1936 zum 1. Vorsitzenden dieses Gremiums.8 Er war somit seitdem hauptberuflich als geschäftsführendes Vorstandsmitglied tätig. Ein Blick in die Kurzbiografie dieser Zeit seiner Tätigkeit erscheint mir aber hochinteressant:

  • Vorstandsmitglied der Spar- und Darlehnskasse Bentheim, 07.06.1934 – 01.12.1959
  • Vorstandsvorsitzender der Spar- und Darlehnskasse Bentheim, 20.08.1936 – 01.12.1959
  • 2. Rendant der Spar- und Darlehnskasse Bentheim, 02.06.1925 – 01.03.19349
  • geschäftsführendes Vorstandsmitglied, 07.06.1934 – 30.04.1937 – durchschnittlich 2 Stunden täglich10
  • geschäftsführendes Vorstandsmitglied, 01.05.1937 – 30.11.1940 – mit 5 – 6 Stunden täglich11
  • geschäftsführendes Vorstandsmitglied, 01.12.1940 – 31.12.1941 – 5 Tage wöchentlich12
  • geschäftsführendes Vorstandsmitglied, 01.01.1942 – vermutlich 30.03.1946 – wieder voll beschäftigt13
  • geschäftsführendes Vorstandsmitglied, 01.04.1946 – vermutlich 30.06.1949 – durchschnittlich 3 Tage in der Woche14
  • geschäftsführendes Vorstandsmitglied, 01.07.1949 – 30.09.1954 – 4 Tage wöchentlich15
  • geschäftsführendes Vorstandsmitglied, 01.10.1954 – 30.06.1955 – wieder voll beschäftigt16
  • Angestellter auf Widerruf, 01.07.1955 – 30.06.1956 – tägliche Bearbeitung der postalischen Ein- und Ausgänge17
  • 4. Rendant der Spar- und Darlehnskasse, 01.07.1956 – 30.3.1957 ehrenamtlich18 , 01.04.1957 – 31.12.57 halbtags19
Quelle: Edeltraud Schwarz, Tecklenburg

Aus dem Studium der Protokolle komme ich zu dem Fazit, dass Walter Schöndube seinen Einsatz an den jeweiligen Erfolg und an die Ertragskraft der (seiner) Bank anpasste! Aus gesundheitlichen Gründen legte er seine Rendantentätigkeit zum 30.06.1955 nieder. Als Nachfolger wurde der Angestellte Günter Rose, Bentheim mit einjähriger Probezeit zum 3. Rendanten bestellt.20 Als Letzterer aber zum 30.06.1956 kündigte21 übernahm Walter Schöndube wiederum – vorerst ehrenamtlich -, dann halbtags die Geschäftsführung. Er galt als alleinstehend und verstarb am 07.12.1989 in Bentheim. Er hatte in der Nachkriegszeit eine Flüchtlingsfamilie in seinem Haushalt aufgenommen, zu der er bis zu seinem Tod eine väterliche Freundschaft pflegte.22 Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Edeltraud Schwarz, Tecklenburg, aus deren Fundus das Foto zur Verfügung gestellt wurde!

Interessierte sollten einmal diesen Link anklicken: https://www.freiwilligenserver.de/index.cfm?uuid=d7aa135945c849db9bb59e0917444d4b&stiftung_id=1193

Walter Schöndube hat wohl in Bentheim seine Heimat gefunden, denn er hinterließ einen bemerkenswerten „letzten Willen“. Daraus wurde die Walter-Schöndube-Stiftung gegründet, die aktuell immer noch hilfsbedürftige ältere Menschen der Stadt Bentheim unterstützt.

Von der Persönlichkeit Walter Schöndube, den damaligen Tätigkeiten und dem beruflichen Alltag wusste mir auch Alfred Alsmeier – derzeitige Kontaktperson der Stiftung – in zwei Zeitzeugengesprächen zu berichten. Er hat vom 01.10.1953 bis zum 30.03.1957 als Angestellter der Bank gearbeitet.23

Günter Rose Quelle: Alfred Alsmeier, Bentheim
auf dem Tresen des Schalterraums sitzen von links: Kruse, Brandlecht – Alfred Alsmeier, Bernhard Boom, Bentheim Quelle: Alfred Alsmeier, Bentheim
Alfred Alsmeier Quelle: Alfred Alsmeier, Bentheim

 

 

 

 

 

 

 

Ausschnitte aus den Zeitzeugengesprächen mit Alfred Alsmeier:

„Oberhalb des Malergeschäftes Bruns standen uns 2 Räume zur Verfügung. Kassenhalle und Büroraum ca. 40 qm für 4 Beschäftigte. Hinterer Raum ca. 12 qm für den Rendanten und vertrauliche Gespräche mit den Kunden.“

„Es wurde sehr sparsam gewirtschaftet. Kontoauszüge gab es nicht. Für den Kunden gab es das Sparbuch und für das laufende Konto ein Kontogegenbuch. Alles musste von uns handschriftlich eingetragen werden.“

„Intern wurden keine Vordrucke verwendet. Als Überweisungsauftrag wurden die Innenseiten von gebrauchten Briefumschlägen aufgetrennt und als Buchungsbeleg benutzt.(Per Konto Kunde an Konto Empfäger mit Betrag und Unterschrift des Kunden ergab den Überweisungsauftrag). So wurde Papier gespart. Nur wenn eine Überweisung außerhalb unseres Hauses getätigt wurde, durfte ein Verbandsvordruck benutzt werden.“

An dieser Stelle an Hern Alfred Alsmeier ein ganz herzliches Dankeschön für die zur Verfügung gestellten Fotos sowie die sehr kurzweiligen Zeitzeugengespräche!

Quelle: Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 18-5, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 56.

Im fünften Jahr des Bestehens war bei den Recherchen dieser Beschluss vom 26. April 1928 doch sehr auffällig und erregte entsprechende Aufmerksamkeit. Zumal in den Generalversammlungsprotokollen von erwirtschafteten Verlusten bisher keine Rede war und Vorstand und Aufsichtsrat den Antrag von Carl Conrad einstimmig annahmen. Oberpostmeister Carl Conrad war einer der 25 Gründungsmitglieder24 und 1925 in den Aufsichtsrat gewählt worden.25 In seinem Antrag hatte er vorgeschlagen „an die Stadt heranzutreten, die Genossenschaft zu übernehmen“.

Wenn Sie wissen möchten, wie es mit diesem Beschluss weiter ging, dann klicken Sie hier: Teil 2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 329-2, Chronik der Genossenschaft I, Gründungsstatut vom 04.06.1923.

2. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 18-1, Verzeichnis der Genossen, S. 1 + 2.

3. Arhiv der Grafschafter Volksbank eG, 18-5, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 5.

4. Ebd., S. 3.

5. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 14-1, Protokollbuch für Generalversammlungen, S. 7.

6. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 18-5, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 32.

7. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 14-1, Protokollbuch für Generalversammlungen, S. 29.

8. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 18-5, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 163.

9. Ebd., S. 129 – 132.

10. Ebd., S. 129 – 131.

11. Ebd., S. 171.

12. Ebd., S. 190.

13. Ebd., S. 193.

14. Ebd., S. 203.

15. Ebd., S. 209.

16. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 14-3, Protokollbuch für den Aufsichtsrat, S. 46.

17. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 18-5, Protokollbuch für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 239.

18. Ebd., S. 244.

19. Ebd., S. 251.

20. Ebd., S. 238.

21. Ebd., S. 243

22. Zeitzeugentelefonat mit Edeltraud Schwarz.

23. Zeitzeugengespräche mit Alfred Alsmeier, 26.06. u. 03.07.2019.

24. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 18-1, Verzeichnis der Genossen, S. 1 + 2.

25. Archiv der Grafschafter Volksbank eG, 14-1, Protokollbuch für Generalversammlungen, S. 8.