Karl Friedrich Wilhelm Haas wurde am 25. Oktober 1839 als Sohn des Gymnasiallehrers und späteren Hofrates und Professors Friedrich Heinrich Haas1 und seiner Frau Karoline Luise (geb. Künzel),2 Tochter eines Odenwälder Schreinermeisters,3 in Darmstadt geboren.4 Die Familie des Vaters war ursprünglich im Weinbau im südlichen Schwarzwald (St. Georgen) tätig, wanderte dann in die französische Schweiz aus. Die Familie der Mutter stammte aus Darmstadt.5 Wilhelm Haas hatte zwei Geschwister: einen älteren Bruder und eine ältere Schwester.6 Die Familie war lutherischer Konfession. 1857 nahm Haas in Gießen sein Studium der Rechtswissenschaften auf (bis 1861).

Wilhelm Haas kann sicherlich als der Organisator des ländlichen Genossenschaftswesens bezeichnet werden (mehr dazu in dem Beitrag „Wilhelm Haas“ in der DZ BANK-Publikation Sozialreformer, Modernisierer und Bankmanager. Biographische Skizzen aus der Geschichte des Kreditgenossenschaftswesens). In den Publikationen des Reichsverbandes der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften wurde noch viele Jahre nach seinem Tod vom „schöpferische(n) Organisator“ gesprochen.7 Haas war Initiator, strategischer Kopf und ‚Galionsfigur‘ des Reichsverbandes, dem größten Dachverband deutscher Genossenschaften überhaupt. Andere Publikationen titeln „Genossenschaftlicher Politiker“8 und „Der ‚dritte‘ Mann“9  – alles trifft auf Haas zu. Mit „praktischen Blick“10 machte er sich die Erfahrungen Raiffeisens und Schulze-Delitzschs zum Nutzen, ohne das eine oder das andere System im Grundsatz anzufechten. Oft wird Haas heute in Festschriften und Monographien übergangen. Er selbst hätte sich sicherlich als „genossenschaftlichen Politiker“ beschrieben.

Jurist, Politiker, Organisator, Genossenschaftler:

Ab 1861: Nach dem Studium Eintritt in den hessischen Staatsdienst, zunächst als Referendar (‚Accessist‘) beim Landgericht in Langen, ab 1863 beim Großherzoglichen Hofgericht in Darmstadt, ab 1864 beim Kreisamt in Darmstadt.11

1865: Zweites juristisches Staatsexamen. Anschließend war er als Accessist beim Kreisamt in Dieburg tätig und wechselte 1866 zum Kreisamt Groß-Gerau, gefolgt von Stellen in Heppenheim (1867) und Büdingen (1868).12

1866: Eintritt in den landwirtschaftlichen Provinzialverein für die Provinz Starkenburg.13 Viele Ämter folgten hier, 1892 Präsident des Provinzialverbandes Starkenburg.

1869: Kreisassessor beim Großherzoglichen Hessischen Kreisamt des Kreises Friedberg (Oberhessen).

1873: Von Friedberg aus initiierte Haas den Verband hessischer landwirtschaftlicher Konsumvereine in Hessen. Hass wurde Verbandspräsident.

1879: Ernennung zum Polizeirat in Darmstadt.

1881: Haas zum Mitglied der Zweiten Kammer der Hessischen Landstände gewählt. 1898 wählten die Abgeordneten ihn zum Ersten Präsidenten der Kammer.

1883: Die Gründung der Vereinigung deutscher landwirtschaftlicher Genossenschaften (ab 1903 Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften) in Hamburg ging auf Initiative Hass‘ zurück.

1886: Ernennung zum Kreisrat des Kreises Offenbach.

1896: Ernennung zum Geheimen Regierungsrat.

1898: Haas wurde in den Reichstag gewählt (bis 1912, Wahlkreis Bensheim-Erbach-Lindenfels-Neustadt).

1908: Für seine Verdienste wurde ihm der Titel des Großherzoglichen Hessischen Geheimen Rats verliehen.

1911: Haas schied aus der Zweiten Kammer aus, wurde vom Großherzog in die Erste Kammer berufen. Zeitgenossen spöttelten gern über den „Circus Haas“, nannten ihn auch „Vicegroßherzog von Hessen“.14

Familie:

1869 erfolgte die Eheschließung mit Marie Karoline Katharine Kritzler15 (Tochter des Juristen Dr. Friedrich Kritzler16) in Darmstadt. Das Paar hatte drei Kinder. Haas starb am 8. Februar 1913.

 

1. Maxeiner, Rudolf: Art. Haas. In: Mändle, Eduard (Hg.): Handwörterbuch des Genossenschaftswesens, Wiesbaden 1980, Spl. 922.

2. Wilhelm Haas – Zeittafel, in: Das Hessenland, 5.6.1956.

3. Maxeiner, Rudolf: Vertrauen in die eigene Kraft. Wilhelm Haas. Sein Leben und Werken, Wiesbaden 1976, S. 24.

4. Gennes, Otto: Wilhelm Haas. In: Totomianz, V. (Hg.): Internationales Handwörterbuch des Genossenschaftswesens, Berlin 1928, S. 434-437, hier S. 434.

5. Tillmann, Hugo: Wilhelm Haas privat, in: Bayerischer Raiffeisenkalender 1976; Krebs, Willy: Leben und Persönlichkeit Wilhelm Haas, Manuskript, S. 2.

6. Krebs, Willy: Leben und Persönlichkeit Wilhelm Haas, Manuskript, S. 2.

7. Taschenbuch für landwirtschaftliche Genossenschaften, hg. v. Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften zu Berlin, Berlin 1926, S. 245.

8.  Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 15.11.1989.

9. Raiffeisen-Informationsblatt des DRV, 15.10.1989.

10. Taschenbuch für landwirtschaftliche Genossenschaften, hg. v. Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften zu Berlin, Berlin 1926, S. 245.

11. Wilhelm Haas – Zeittafel. In: Das Hessenland, 5.6.1956.

12. Ebd.

13. Gennes, Otto: Wilhelm Haas. In: Totomianz, V. (Hg.): Internationales Handwörterbuch des Genossenschaftswesens, Berlin 1928, S. 434-437, hier S. 434.

14. Tillmann, Hugo: Unser ältester Landesverband. Eine 100-Jahr-Erinnerung an Wilhelm Haas. In: Genossenschaftliche Mitteilungen des Saarländischen Genossenschaftsverbandes e.V., 9/1973.

15. Geboren am 14.6.1843, gestorben 1927. Siehe etwa Maxeiner, Rudolf: Vertrauen in die eigene Kraft. Wilhelm Haas. Sein Leben und Wirken, Wiesbaden 1976, S. 25.

16. Ruppel, Hans Georg/Groß, Birgit: Hessische Abgeordnete 1820-1933. Biographische Nachweise für die Landstände des Großherzogtums Hessen (2. Kammer) und den Landtag des Volksstaates Hessen (Darmstädter Archivschriften 5), Darmstadt 1980, S. 120.

 

Literatur:

  • Feineisen, Adalbert: Wilhelm Haas. Gestalter einer großen Idee, Neuwied 1956.
  • Finis, Beate: Beweggründe mittelständischer Genossenschaftspioniere des landwirtschaftlichen Bereichs am Beispiel von F. W. Raiffeisen und W. Haas. Zur Integration der Beweggründe in eine empirische Genossenschaftstheorie und in Theorien der Sozial- und Wirtschaftspolitik, Diss. Uni Köln 1979.
  • Krebs, Willy: Leben und Persönlichkeit Wilhelm Haas, Manuskript.
  • Maxeiner, Rudolf: Vertrauen in die eigene Kraft. Wilhelm Haas. Sein Leben und Werken, Wiesbaden 1976.
  • Schlütz, Frauke: Wilhelm Haas, in: Sozialreformer, Modernisierer und Bankmanager. Biographische Skizzen aus der Geschichte des Kreditgenossenschaftswesens. Hg. v. Institut für Bankhistorische Forschung e.V. im Auftrag der DZ BANK AG, München 2016, S. 191-212.