Friedrich Wilhelm Raiffeisen wurde am 30. März 1818 als siebtes von neun Kindern in Hamm im Westerwald geboren. Sein Vater war Bürgermeister, stammte aus Schwaben, wo er eine landwirtschaftliche und eine kaufmännische Ausbildung beim Fürsten Hohenlohe-Waldenburg absolviert hatte. Raiffeisens Großvater war Pfarrer in Mittelfischbach. Seine Mutter war die Tochter eines Schultheißen (Amtsmann, Ratsherren).

Ausbildung:

Raiffeisen trat mit 17 als Freiwilliger ins Militär ein. Er war zunächst in Köln stationiert (1835). Warum er sich freiwillig meldete, ist nicht überliefert. Vermutlich wollte er über diesen Weg auch ohne Abitur die höhere Verwaltungslaufbahn einschlagen. Nach der Ausbildung in der Artillerie besuchte er ab 1838 die Inspektionsschule in Koblenz. Hier wurde er zum Oberfeuerwerker ausgebildet (Prüfung 1840). Mit Anfang 20 wurde er Leiter der Materialprüfung in der staatlichen Eisengießerei in Sayn und war hier für die Kontrolle und Qualitätssicherung der Munition verantwortlich. In Koblenz gehörte er einem Freundeskreis aus AbiturientInnen und StudentInnen an, der sich Euterpia (in Anlehnung an die Muse Euterpe) nannte. Die Gruppe fühlte sich dem praktischen Christentum verbunden und gilt als ein wichtiger Einfluß für Raiffeisens Haltung und Denkwelt. 1843 wurde er aus dem Militär entlassen.

Beruflicher Werdegang und Etappen der Entwicklung der Idee der Darlehnskassen-Vereine:

Nach seiner Entlassung wurde er zum kommissarischen Kreissekretär des Kreises Mayen ernannt. Seit 1845 war Raiffeisen Bürgermeister der Samtgemeinde Weyerbusch im Westerwald.  Sein erstes Amtsjahr war gleich von einer enormen Hungersnot gekennzeichnet, der er mit praktischer Hilfe begegnete und mit Hilfe einiger finanziell besser gestellter Bürger zum reduzierten Preis und auf Schuldschein Getreide an ärmere Einwohner ausgab. Dieser Winter war der Startpunkt für die Entwicklung seiner Genossenschaftsidee. Alle Gedanken und praktischen Hinweise schrieb Raiffeisen 1866 in seinem Buch Die Darlehnskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Noth der ländlichen Bevölkerung, sowie auch der städtischen Handwerker und Arbeiter. Wichtige Etappen bis dahin:

1846/47: Gründung des Brotvereins Weyerbuch

1848: Übernahme des Bürgermeisteramtes von Flammersfeld

1849: Gründung des Flammersfelder Hülfsvereins zur Unterstützung unbemittelter Landwirthe

1852: Übernahme des Bürgermeistereiamtes in Heddesdorf

1854: Gründung des Heddesdorfer Wohltätigkeits-Vereins

1862: Gründung des Darlehnskassen-Vereins für das Kirchspiel Anhausen

1864: Gründung des Heddesdorfer Darlehnskassen-Vereins

1865: Eintritt in den Ruhestand

1872: Gründung einer Geldausgleichsstelle (Rheinischen landwirtschaftlichen Genossenschaftsbank), 1874 Umwandlung in die Deutsche landwirtschaftliche Centralbank.

1877: Gründung des Anwaltschaftsverbandes in Neuwied.

1881: Gründung der Raiffeisen-Druckerei in Neuwied.

 

Familie:

1845 heiratete er Emilie Storck, die Tochter eines Apothekers aus Remagen (gestorben 1863). Raiffeisen war Vater von sechs Töchtern und Sohn Rudolf. Seine älteste Tochter Amalie (geboren 1846) unterstützte Raiffeisen später beim Aufbau der Raiffeisen-Organisation. In zweiter Ehe war Raiffeisen mit Marie Penserot (geb. Fuchs) verheiratet. Raiffeisen starb am 11. März 1888 in Heddesdorf.

 

 

Quellen:

  • Bauert-Keetmann, Ingrid: Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Ein Leben für die Zukunft, Hannover (1988).
  • Klein, Michael: Leben, Werk und Nachwirkung des Genossenschaftsgründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888). Dargestellt im Zusammenhang mit dem deutschen sozialen Protestantismus (Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte 122), Köln 1997.
  • Koch, Walter: Der Genossenschaftsgedanke F. W. Raiffeisens als Kooperationsmodell in der modernen Industriegesellschaft, Paderborn/Würzburg 1991.
  • Seelmann-Eggebert, Erich Lothar: Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Sein Lebensgang und sein genossenschaftliches Werk, Stuttgart 1928.
  • Michael Kopsidis: Friedrich Wilhelm Raiffeisen, in: Sozialreformer, Modernisierer und Bankmanager. Biographische Skizzen aus der Geschichte des Kreditgenossenschaftswesens. Hg. v. Institut für Bankhistorische Forschung e.V. im Auftrag der DZ BANK AG, München 2016, 59-77.
  • Soénius, Ulrich S.: Raiffeisen, Friedrich Wilhelm, in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 115-116, Online-Version: https://www.deutsche-biographie.de/gnd118597884.html#ndbcontent.